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Feb 8, 2019

Die Niederlande bringen Musterprozess auf den Weg: Versicherungsbetrüger vor Gericht ohne polizeiliche Untersuchung
Die Niederlande bringen Musterprozess auf den Weg: Versicherungsbetrüger vor Gericht ohne polizeiliche Untersuchung
Die Niederlande bringen Musterprozess auf den Weg: Versicherungsbetrüger vor Gericht ohne polizeiliche Untersuchung

Die niederländische Staatsanwaltschaft führt mehrere Musterprozesse gegen Versicherungsbetrüger ohne vorherige Untersuchung durch die Polizei. Die Ermittlungen werden vom Versicherer selbst vorgenommen.

Die Versicherer verstärken damit das Vorgehen gegen Versicherungsbetrüger, ohne die Polizei weiter zu belasten. Der Staatsanwaltschaft zufolge lässt die Polizei gerade viele Betrugsfälle ruhen, weil es nicht genügend Personal gibt und andere Fälle, wie zum Beispiel Gewaltdelikte, Vorrang haben. 2017 wurden gut 28.000 betrugsverdächtige Schadenfälle von den Versicherern untersucht. Wie aus Zahlen des Versicherungsverbands hervorgeht, wurde dabei Betrug in Höhe von 101 Millionen Euro aufgedeckt. Der tatsächliche Schaden durch Versicherungsbetrug liegt nach Schätzung der Versicherer beim vierfachen Wert.

"Schon seit Jahren gibt es eine hohe Anzahl von betrügerischen Leistungsansprüchen, vor allem bei Unfallversicherungen. Allerdings kommt nur eine sehr geringe Anzahl davon bis vor den Strafrichter", erklärt Staatsanwältin Petra Willemse. Die Staatsanwaltschaft hofft, dass eine verstärkte Strafverfolgung von Versicherungsbetrügern auch eine abschreckende Wirkung hat. "Letzten Endes zahlen Sie und ich den Schaden in Form einer höheren Versicherungsprämie."

Inszenierung von Verkehrsunfällen

Willemse begann in dieser Woche mit den ersten zwei Musterprozessen in Rotterdam. Eine dieser Strafsachen betrifft zwei Dordrechter (26 und 35 Jahre), die 2017 auf einer Kreuzung einen Verkehrsunfall inszeniert hatten. Sie machten einen Schaden von gut 5.400 Euro bei ihrer Versicherung geltend. Im Rahmen der Schadenprüfung ermittelte Achmea, dass das Unfallprotokoll gefälscht war, und stellte selbst die Strafakte zusammen. Die weiteren Untersuchungen zeigten, dass die Autos mehrmals zusammengeprallt waren, was bei einem realen Unfall nahezu unmöglich ist.

Wahrscheinlich kommen darüber hinaus noch zwei weitere Schadenfälle in Betracht, die von den Beteiligten als "Test" verwendet wurden und von der Staatsanwaltschaft zusammen mit dem Versicherungsverband und der Polizei ermittelt wurden.

Wo liegt die Grenze?

Wo genau die Grenze zum Aufsetzen einer Strafakte durch eine private Partei liegt, ist noch nicht klar. Beim ersten Musterprozess brachte Willemse schon vorsichtig zum Ausdruck, dass ein begrenzter Einsatz der Polizei vielleicht nötig bleiben wird. "Die Vernehmungen von Verdächtigen soll zum Beispiel Polizeiaufgabe bleiben", sagte sie zum Ende. Zudem betonte sie, dass die Strafakten von qualifizierten Betrugskoordinatoren aufgesetzt werden müssen. "Oft sind das allerdings ehemalige Polizeibeamte."

Dem Versicherungsverband zufolge erhöhen sich die Versicherungsprämien für jede Familie in den Niederlanden durch Versicherungsbetrug im Jahr um Dutzende Euro. Am meisten wird bei der Kfz-Versicherung betrogen. Dann folgen Feuer (Sach- und Gebäudepolicen) und die Haftpflichtversicherung.

Entdeckt eine Versicherung einen Betrüger, hat sie verschiedene Sanktionsmöglichkeiten: Neben der Rückforderung der Entschädigungsleistung kann die Versicherung gekündigt werden und der Betrüger auf eine Warnliste für andere Versicherungen gesetzt werden sowie Anzeige bei der Polizei erstattet werden. Seit Sommer 2016 kann die Versicherung auch ein Bußgeld von 532 Euro verhängen. Das brachte der Versicherungswirtschaft in den ersten anderthalb Jahren eine halbe Million Euro ein.

Begrenzte Polizeikapazität machen eine neue Herangehensweise notwendig

Wie Sprecher Oscar van Elferen meint, haben es die Versicherer nicht auf die kaputte Sonnenbrille abgesehen, die über die Reisegepäckversicherung geltend gemacht wird, auch wenn das ebenfalls unzulässig ist. Es geht vor allem um die Verfolgung der Schwergewichte, die zurzeit wegen fehlender Polizeikräfte nicht verfolgt werden.

Nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in den USA, Großbritannien und mehreren lateinamerikanischen Ländern stellt die begrenzte Ermittlungskapazität der Strafverfolgungsbehörden zunehmend ein Problem bei der Bekämpfung von Versicherungsbetrug dar.

Wahrheitsfindung

Die Wahrheitsfindung war für alle Parteien schon immer wichtig. Daran ändert sich im Prinzip wenig. "Die Versicherung prüft bei jedem Schadenfall, ob Deckung über die Versicherungspolice besteht, und beurteilt die Rechtmäßigkeit des Schadens. Gibt es Zweifel, wird der Schadenfall an eine Abteilung weiterverwiesen, die mehr Möglichkeiten und Kompetenzen zur Aufklärung des Sachverhalts hat", erklärt Gerwin Marskamp, Product Manager SIU bei FRISS.

"Die Betrugsabteilung versucht immer, den genauen Sachverhalt herauszufinden. Auf Grundlage der zusammengetragenen Fakten wird anschließend entschieden, ob die Forderung berechtigt ist. In sämtlichen Fällen ist es aber unumgänglich, dass die Prüfung so sorgfältig, strukturiert und objektiv wie möglich dokumentiert wird. Dies umfasst neben allen eingegangenen Unterlagen auch Gesprächsnotizen von den Befragungen aller Schadenbeteiligten. Dies gilt grundsätzlich für alle Versicherungen. Die Tatsache, dass die Polizei kaum oder gar nicht in der Lage ist, die Betrugsanzeigen der Versicherer aufzunehmen, ist allgemein bekannt. Wir hoffen, dass die Staatsanwaltschaft die Fälle durch dieses Vorgehen aktiv aufgreift und dadurch mehr Betrüger strafrechtlich verfolgt werden und nicht mehr aufgrund mangelnder Polizeikapazität ungeschoren davonkommen."

Im Hinblick auf die Feststellung der Wahrheit wäre es gut, wenn mehrere Länder dieses progressive Experiment aktiv nachahmen oder verfolgen würden.

In den Niederlanden arbeiten die Betrugsabteilungen vieler Versicherer mit der FRISS Investigation, eine Software speziell für die besonderen Anforderungen der Betrugsabteilungen von Versicherern zur zuverlässigen Dokumentierung und Strukturierung von Schadenfallinformationen.

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(Quelle: AD.nl)

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