Die Vertriebskanäle in der Versicherungswirtschaft unterliegen einem rasanten Wandel. Das ist nicht verwunderlich, denn die Technologie verändert sich noch schneller, und mit ihr der Konsument. Verdrängt die Cloud den Versicherungsagenten, oder arbeiten beide zusammen?
Traditionell ist das Thema „Versicherung“ sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen ein kompliziertes Thema. Häufig herrscht Unsicherheit, welches Produkt welches Anbieters am besten passt. Es gibt eine große Anzahl von Produkten, häufig mit kleinen Unterschieden. Aus diesem Grunde verlassen sich traditionell viele Menschen auf Fachleute oder entsprechende Agenturen, denen sie vertrauen – nicht nur bei der Auswahl des am besten geeigneten Produkts, sondern auch wenn es darum geht, ein Versicherungsportfolio auf dem neuesten Stand zu halten.
Dabei ist zum Beispiel an die regelmäßige Anpassung der Versicherungssumme bei Gebäude- oder Hausratversicherungen oder die Frage, ob die Höhe einer bestehenden Arbeitsunfähigkeitsversicherung noch zur aktuellen Lebenssituation passt, zu denken. Außerdem ist es natürlich sehr praktisch, dass, wenn einmal ein Schaden eintritt, ein Telefonanruf beim Versicherungsagenten reicht und dieser sich darum kümmert, dass die Versicherungsgesellschaft den Schaden reguliert. Der Vermittler hat also bisher eine sehr wichtige Rolle gespielt, auch bei anderen häufig vorkommenden Produkten wie Kfz-, Gebäude- und Reiseversicherungen.
Rasanter Wandel
Dieses Bild hat sich jedoch inzwischen stark verändert: Die enorme Weiterentwicklung des Internets; die Geschwindigkeit von mobilen Endgeräten; die immer weiter fortschreitenden Möglichkeiten, Daten (nahezu) in Echtzeit abrufen, analysieren und bearbeiten zu können; die Leistungsfähigkeit von mobilen Anwendungen (Apps) und die abnehmende Bereitschaft der Verbraucher, für Beratungsleistungen zu relativ simplen Versicherungsprodukten Geld auszugeben – all dies und noch manches mehr sorgt für deutliche Verschiebungen zwischen den unterschiedlichen Vertriebskanälen.
1. Persönliche Beratung bleibt bestehen, zunehmend unterstützt durch Technologie
Versicherungsberater und Agenturen, die in der Lage sind, sich um alles für den Endkunden zu regeln, gibt es nach wie vor, aber sie spielen vor allem dann eine Rolle, wenn es um die Beratung von komplexen Versicherungsprodukte (zum Beispiel Einkommens- und Rentenversicherungen oder Versicherungsprodukte für Unternehmer) und deren Verwaltung geht. Versicherungsberater machen bei der Auswahl passender Produkte und dem Screening der Kunden natürlich intensiven Gebrauch von Technologie.
2. Hierauf legen Kunden Wert: Das Internet sowie das eigenständige Management des Versicherungsbedarfs einschließlich etwaiger Schadensfälle
Inzwischen sind wir daran gewöhnt, gängige Versicherungen (hauptsächlich Schadensversicherungen) über das Internet oder vielleicht noch über das Telefon auszuwählen und abzuschließen. Dasselbe gilt für die Abwicklung von Schadensfällen. Der Versicherte übernimmt dies unter Anleitung und Beratung durch automatisierte Systeme selbst. Als Schnittstelle dafür dient eine moderne Website, die über alle möglichen Geräte aufgerufen werden kann.
3. Der neuste Trend? Mobile Anwendungen auf Grundlage modernster Technologien
Es gibt inzwischen bereits Apps, die den Kunden bei Ankunft an einem Flughafen fragen, ob er für die Dauer der Reise eine Reiseversicherung abschließen möchte, ihn über am Reiseziel möglicherweise bestehende Risiken aufklärt und unter Umständen sogar vorübergehend die Deckung an diese Risiken anpasst. Dabei werden Versicherungsverträge genutzt, dessen Inhalte je nach Bedarf individuell aktiviert und wieder deaktiviert werden können. Auf dieselbe Weise nehmen auch die Möglichkeiten zu, einzelne Sachen direkt und für einen bestimmten Zeitraum zu versichern.
4. Automatisierte Risikoanalyse und Betrugserkennung ist unerlässlich für alle Vertriebskanäle – von Seiten des Versicherers als auch der Verbraucher
Aus der Perspektive der automatisierten Betrugsbekämpfung scheinen Online-Vertriebskanäle sehr stark zu wachsen. Der Eindruck kann jedoch täuschen, denn viele Versicherer arbeiten (noch) mehrgleisig und entwickeln ihre Online-Vertriebskanäle parallel zu bestehenden persönlichen Kanälen. Für die automatisierte Risikoanalyse und Betrugserkennung macht das jedoch keinen großen Unterschied, denn bei den meisten Versicherern finden diese Prozesse für beide Vertriebskanäle auf dieselbe Weise statt.
5. Nahezu alle Versicherungsgesellschaften investieren in eine automatisierte Risikoanalyse oder werden dies tun (müssen)
Beim persönlichen Kontakt mit dem Versicherungsnehmer über einen Außendienstmitarbeiter oder einen unabhängigen Vermittler findet eine Wechselwirkung zwischen der persönlichen und der automatisierten Beurteilung des Risikos oder der Schadensforderung statt. Der Agent erhält bei seiner Beurteilung Unterstützung durch eine automatisierte Risikoanalyse, die er jedoch gleichzeitig auch selbst beeinflusst. Er kann sein Wissen um die persönlichen Umstände des (potentiellen) Versicherungsnehmers in die automatisierte Beurteilung einbringen.
Bei der automatisierten Risikoanalyse im Direktvertrieb ist das anders. Hier kann das System sehr schnell eine Entscheidung auf Grundlage der von der jeweiligen Versicherungsgesellschaft vorgegebenen Kriterien treffen. In bestimmten Fällen empfiehlt das System, den Fall zunächst von einem Menschen prüfen zu lassen, bevor eine Entscheidung ergeht.
Bei der On-Demand-Versicherung hingegen ist das nicht möglich. Deren Ziel ist es, stets unmittelbar eine Entscheidung auf Basis von großen Mengen an Daten aus möglichst vielen eigenen und öffentlichen Quellen zu treffen.