Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Nutzung von Daten der öffentlichen Hand etwas, wovon Versicherungsunternehmen nur träumen können. Der Zugriff auf diese Daten wäre ein Meilenstein im Kampf gegen Versicherungsbetrug, da Betrüger immer geschickter vorgehen bei ihren Versuchen, unter dem Radar der Versicherer zu bleiben. Diese Daten könnten nicht nur beim Betrugsmanagement während des Forderungsprozesses, sondern auch bei der Risikoprüfung im Rahmen des Underwritings hilfreich sein.
Betrugsprüfung
Betrüger nutzen unterschiedliche Vorgehensweisen, verschiedene Versicherer und falsche Identitäten – alles, um sicherzustellen, dass sie nicht gefasst werden. Betrüger suchen stets nach Schwachstellen. Mit dem Zugriff auf Daten der öffentlichen Hand könnte verhindert werden, dass Betrüger von einem Land und von einem Versicherer zum nächsten ziehen, und so könnte man sie letztlich auch am Zugang zu Versicherungsportfolios im Allgemeinen hindern.
Durch einen Abgleich zwischen Daten der öffentlichen Hand und unternehmensinternen Informationen zur Betrugsprävention sind Versicherer in der Lage:
- die Zahl der blinden Flecke während des Untersuchungsprozesses zu reduzieren;
- die Zahl der falschpositiven Fälle zu reduzieren, die sie derzeit untersuchen müssen;
- die Kundenerfahrung zu verbessern;
- die Intensität der Analyse zu variieren und bestimmten Untersuchungen Vorrang zu geben.
Ein Beispiel: Wenn Versicherer Zugang zu Daten der öffentlichen Hand haben, um das Profil eines Anspruchstellers zu prüfen, kann dies drastische Auswirkungen auf eine Untersuchung haben. Bei einer Person, die Sozialleistungen bezieht, ist das Risiko ungleich höher als bei einer durchschnittlichen Familie mit einem geregelten Einkommen. Des Weiteren können das Wissen über den Wohnort einer Person und Informationen über deren wahre Identität einem Untersuchungsprozess eine entscheidende Wendung geben.
Privatsphäre
Obwohl der Austausch von Daten zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor bei der Prävention und der Erkennung von sowie bei den Ermittlungen zu Versicherungsbetrug hilfreich sein könnte, untersagen Datenschutzgesetze es derzeit, solche Konstruktionen in die Praxis umzusetzen. Das zunehmende Interesse daran, ökonomische Daten mit Daten aus verschieden Datenbanken der öffentlichen Hand abzugleichen, könnte dies jedoch ändern.
Im Vereinigten Königreich findet bereits ein Sinneswandel statt. Im Jahr 1996 hat die dortige Regierung die „National Fraud Initiative“ eingeführt, welche Daten zwischen öffentlichen und privaten Körperschaften abgleicht. Seither konnten Betrugsfälle und Überzahlungen im Wert von €1,52 Mrd. aufgedeckt werden. Bisher war dieser Abgleich ausschließlich Instanzen der öffentlichen Hand möglich. Die Daten werden dem Privatsektor zu Zwecken der Betrugsprävention inzwischen allerdings mehr und mehr zugänglich gemacht. Der Zugriff auf Datenquellen von Dritten ist an sich nichts Neues, die Integration von Daten der öffentlichen Hand schließt allerdings eine wichtige Lücke.
In anderen Teilen Europas haben Versicherer das Gefühl, mehr Daten mit der öffentlichen Hand zu teilen als andersherum. Datenschutzgesetze legen in der Regel fest, dass Versicherer im Rahmen einer Betrugsprüfung eine entsprechende rechtliche Grundlage brauchen, wenn sie Informationen des öffentlichen Sektors verwenden wollen. Auch wenn ggf. Daten verfügbar sind, gibt es Regeln, an die Versicherer sich zu halten haben. Ein Beispiel: Betrugsprüfer müssen auch alternative Untersuchungsmethoden zur Beantwortung ihrer jeweiligen Frage in Betracht ziehen. Darüber hinaus müssen Zweck und Verwendung der Daten so spezifisch definiert werden, dass es unmöglich ist, diese für andere Untersuchungen zu verwenden.
Kooperation zwischen Versicherern
Bevor in signifikantem Maße auf Daten der öffentlichen Hand zugegriffen werden kann, müssen also noch einige sehr hohe Hürden überwunden werden. Versicherer müssen sich dementsprechend nach Alternativen umsehen, um die Zahl ihrer potenziellen Informationsquellen zu erweitern. Versicherer können Kräfte bündeln, u. a. durch den Austausch von Daten, aber auch durch Kooperationen bei Untersuchungen zu Betrugsfällen und durch gemeinsame Lernanstrengungen zu Betrugsmethoden. Hierdurch sind Versicherer den Betrügern im Spiel mit dem Betrug immer eine Nasenlänge voraus. Das Teilen von Daten ist ein Thema, über das Versicherer mit Leichtigkeit reden, das sich allerdings nur schwer umsetzen lässt. Die Technologie ist nicht das Problem. Es sind wirtschaftliche Gründe, die dieser Kooperation im Weg stehen.
Nur der Austausch von Daten wird nicht reichen
Versicherer sollten weiterhin ihre Kenntnisse bezüglich der Risiken erweitern, indem sie auf potenziell verfügbaren, relevanten und wertschöpfenden Informationen in der ganzen Breite des Spektrums zugreifen. Ferner können mit Investitionen und Technologien zum Abschöpfen der Informationen die besten Lernergebnisse erzielt werden. Technologien wie z. B. Datenabgleich und soziale Netwerkanalyse können Betrugsprüfungen optimieren. Wenn möglich, sollten Versicherungsunternehmen diese mit Vorhersageanalysen (Predictive Analytics) und Techniken des maschinellen Lernens kombinieren. Versicherer sollten den Blick auf die Zukunft richten und sich innovative und aufstrebende Technologien wie z. B. Telematik, Textmining und Datenextraktionswerkzeuge zunutze machen.
Quelle: InsurancePOST