Versicherer und Aggregatoren sind in gewissem Maße Konkurrenten, und das wird auch immer so bleiben. Beide haben jedoch ein offensichtliches gemeinsames Interesse an einem gesunden Versicherungsmarkt. Christian van Leeuwen gibt einen Überblick über die Entwicklung und sieht unter dem Strich Chancen für Win-win-Situationen.
Vergleichsportale bleiben
Heutzutage ist eine Welt ohne Vergleichsportale für Verbraucher nicht mehr denkbar. Dies gilt auch für die Versicherungsbranche. Der Preis wird auch hier immer ein wesentlicher Faktor bei der Kaufentscheidung bleiben. Ganz gleich, ob es um einen neuen Kühlschrank, einen Kurzurlaub in Paris oder eine Kfz-Versicherung geht: Niemand möchte das Gefühl haben, zu viel gezahlt zu haben.
In unserer Branche konzentrieren Aggregatoren sich besonders auf Versicherungen mit einem geringen Beratungsbedarf, die sich ganz einfach anhand des Preises miteinander vergleichen lassen. Das sind im Wesentlichen Kranken- sowie Sach- und Unfallversicherungen (Kfz, Reise, Wohnung), während sich zum Beispiel Berufsunfähigkeitsversicherungen weniger gut eignen.
Es lassen sich verschiedene Arten von Aggregatoren unterscheiden:
- Nur Vergleich – die Website wird für Empfehlungen bezahlt;
- Vergleich und Vermittlung – Hauptgeschäft ist der Verkauf von Policen;
- Versicherungseigene Aggregatoren – unabhängige Websites, die (hauptsächlich) Angebote ihrer eigenen Marken vergleichen;
- Vergleichsmodule auf der Website des Versicherers – halten (potentielle) Kunden auf der Website des Versicherers, bieten jedoch Vergleichsmöglichkeiten.
Globale Unterschiede
Der Aggregatormarkt unterscheidet sich je nach betrachtetem Land erheblich. Dies ist hauptsächlich auf die Geschichte der Verfügbarkeit des Internets in der jeweiligen Region sowie auf die Möglichkeiten, Versicherungspolicen online abzuschließen, zurückzuführen. Außerdem müssen Versicherer bereit sein, ihre Preise öffentlich zu machen.
Im Vereinigten Königreich ist der Aggregatormarkt riesig: Er macht ca. 70 % des gesamten Prämienaufkommens aus. Dies führt zu einem starken Wettbewerb und einem aggressiven Fusions- und Übernahmeverhalten. In den USA haben sich die Versicherungsgesellschaften hingegen dafür entscheiden, die Akquise in eigenen Händen zu behalten. Dies erschwert die Einrichtung von Aggregatoren und erfordert darüber hinaus den Umgang mit in den je nach Bundesstaat unterschiedlichen Gesetzen und Vorschriften. Die Niederlande stehen irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Hier gibt es mehrere Aggregatoren, Marktführer ist „Independer“. Independer befindet sich jedoch im Besitz eines Versicherers und ist eine Kombination aus einem Aggregator und einem Vermittler.
Exponentielles Wachstum
Im Allgemeinen bleibt der Markt weiterhin turbulent, es treten regelmäßig neue Marktteilnehmer auf, und erfolgreiche Unternehmen überqueren ganz wörtlich die Grenze zu anderen Ländern und Regionen – beides mit wechselndem Erfolg. Die Beratungsfirma Celent hat festgestellt, dass der Markt in den zurückliegenden vier Jahren um 400 % gewachsen ist. Accenture hat in einem vor kurzem veröffentlichten Bericht von einer Zunahme der Anzahl an Produkten wie Heimtierversicherungen und anderen relativ simplen Produkten gesprochen.
Wem gehört der Kunde?
Das ist eine interessante Frage: Sowohl Aggregatoren als auch Versicherer beanspruchen den Kunden, der einen Versicherungsvertrag abschließt, für sich. Während Versicherer eine langfristige Kundenbindung anstreben, scheint dies Aggregatoren nicht wirklich zu interessieren. Aggregatoren konzentrieren sich eher auf die für den Verbraucher entscheidenden Faktoren, insbesondere den Preis. Ein Kunde, der nur am niedrigsten Preis interessiert ist, handelt nicht immer im eigenen Interesse, denn Versicherungsschutz und Vertragsbedingungen sind unter Umständen unzureichend.
Nachteilige Konsequenzen
Aggregatoren und Versicherer betrachten einander im Namen des Kundeninteresses in erster Linie als Rivalen. Bei einer fälligen Vertragsverlängerung treten Aggregatoren an den Kunden heran und präsentieren ihm die zum jeweiligen Zeitpunkt billigste Option. Versicherer andererseits nehmen über Aggregatoren gewonnene Kundenkontakte als finanziell unattraktiv und nicht sehr zuverlässig wahr.
Auf den Kunden warten Enttäuschung und Ärger, wenn sich bei Vertragsabschluss zeigt, dass die Vertragsbedingungen, der Versicherungsschutz oder sogar der Preis nicht wie erwartet ausfallen. Enttäuschte Kunden helfen jedoch niemandem. Im Übrigen stehen die Versicherer unter Druck, höhere Risiken einzugehen, um die Preise senken zu können, was der Bildung eines gesunden und profitablen Portfolios zuwiderläuft.
Da Aggregatoren mehr Anonymität bieten, sind Verbraucher eher versucht, falsche Angaben zu machen. Dies führt zu einer zunehmenden Anzahl von Versicherungsbetrugsfällen.
Alle können profitieren
Wir können den Schluss ziehen, dass die Nachfrage nach Transparenz und Vergleichsmöglichkeiten bleiben wird, eine Fokussierung auf kurzfristige Vorteile jedoch langfristig für alle Parteien Nachteile haben wird.
Wie also können wir – unter Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen – die Vorteile für alle Beteiligten (Versicherer, Aggregator und Kunde) optimieren?
Ich glaube, dass die Antwort in einer stärkeren Zusammenarbeit in den folgenden vier Bereichen liegt:
- Vorauswahl des Risikos – Der Aggregator fokussiert sich stärker darauf, welcher Kunde am besten zu welchem Profil welches Versicherers passt. Dies erhöht die Annahmequote, was wiederum bedeutet, dass der Aggregator mehr zufriedene Kunden hat und der Versicherer eher bereit ist, die relativ hohe Provision zu zahlen. Natürlich muss der Umfang der Vorauswahl den geltenden Datenschutzrichtlinien entsprechen.
- Rationalisierung der administrativen Prozesse – Versicherer treiben die Automatisierung und Digitalisierung ihrer Prozesse immer weiter voran. Eine engere Zusammenarbeit mit Aggregatoren kann zum Austausch von bereits vorliegenden Informationen führen, sodass der Kunde die Daten nicht erneut eingeben muss. Dies spart Zeit und beugt Fehlern vor.
- Kundentreue fördern – Der Aggregator kann andere für den Kunden wichtige Faktoren als nur den Preis betrachten und so zusammen mit dem aktuellen Versicherer ein attraktives Angebot unterbreiten. Die Prämie mag etwas höher sein, kann aber für den Weiterbestand der Vertragsbeziehung eine Belohnung in Form eines geringeren Selbstbehalts oder eines umfassenderen Versicherungsschutzes enthalten.
- Betrugsprävention – Wir bei FRISS stellen fest, dass zahlreiche Betrugsfälle zu Beginn des Antrags- und Underwritingprozesses geschehen – Verbraucher probieren verschiedene Variablen aus, um zu sehen, ob die Prämie noch weiter gesenkt werden kann. Ein Aggregator kann ein solches Verhalten melden. Wenn etwa ein Interessent auf der Suche nach einer Kraftfahrzeugversicherung plötzlich die Region, sein Geburtsdatum oder die Schadensfallhistorie ändert, kann dies ein Hinweis auf einen Missbrauch sein, bei dem die Versicherung im Namen oder unter der Adresse eines Dritten abgeschlossen werden soll. Die Stärke des Aggregators liegt darin, dass er einen umfassenderen Überblick in das Verhalten des Antragstellers hat und so helfen kann, Risiken zu minimieren und Missbrauch vorzubeugen.
Schlussfolgerung
Versicherer und Aggregatoren haben nicht immer gleichlautende Interessen, aber unter dem Strich profitieren alle – sogar der Kunde – von einem gesunden Versicherungsmarkt. Es wäre eine gute Sache, wenn die beteiligten Parteien sich darüber verständigen könnten, dass eine Kooperation in bestimmten Bereichen allen nützt. Zusammenarbeiten, wo möglich – trennen, wo nötig.