Die Versicherungswirtschaft erlebt in vielen Bereichen eine rasante Modernisierung. Aktuelle Themen wie neue Versicherungstechnologien, der Einsatz von mobilen Apps, Blockchain und prädiktive Analyse sind nur einige Beispiele, wo sich für die Versicherer neue Geschäftsfelder eröffnen und bestehende Verfahren optimiert werden können. Diese Themen bieten auch einen erweiterten Ansatz unter dem Aspekt der Betrugserkennung und -bekämpfung. Versicherer stehen jedoch beim effektiven Umgang mit der Betrugsbekämpfung und Prävention vor verschiedenen Herausforderungen. Eine aktuelle Studie hat die wichtigsten dieser Herausforderungen identifiziert. Sie sind nachfolgend aufgeführt und stehen zum Nachlesen bereit.
1. Herausforderung Datenschutz
Die fortschreitende Digitalisierung und die in den vergangenen Jahren immer weiter anwachsenden Datenmengen bedeuten für die Versicherer einen wachsenden verantwortungsvollen, vertraulichen und sicheren Umgang mit den Daten ihrer Kunden. Die Branche basiert auf dem Vertrauen zwischen den Versicherern und ihren Kunden, weshalb dem Schutz der Kundendaten große Sorgfalt gewidmet wird. Ob und in welchem Umfang Daten genutzt werden dürfen, ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich geregelt. Die europäische Versicherungswirtschaft unterliegt beim Thema Datenschutz einer starken Regulierung, sowohl auf nationaler Ebene wie auch durch die EU-Datenschutzrichtlinie von 1995.
Für den europäischen Raum lässt sich allgemein beobachten, dass die Datenschutzgesetze von Nord nach Süd strenger werden und dass die Nutzung externer Datenquellen sensibler gehandhabt wird. In skandinavischen Ländern ist eine Kreditprüfung eine relativ problemlose Angelegenheit. In Norwegen und Schweden sind Steuererklärungen sogar öffentlich zugänglich. In diesen Ländern hat Transparenz Vorrang vor dem Schutz der Privatsphäre. In Zentral- und Mitteleuropa ist der Verbraucherschutz hingegen strenger. In einem internationalen Umfeld müssen Versicherer solche Unterschiede berücksichtigen. Die Betrugserkennung wird erleichtert, wenn Versicherer in jeder Situation nach der optimalen Lösung suchen. Dabei müssen selbstverständlich alle geltenden Gesetze und Vorschriften der einzelnen Länder eingehalten werden.
2. Unzureichender Zugang zu externen Datenquellen
Versicherungsprozesse werden heute oft aus der Ferne abgewickelt: Versicherungsvertreter suchen nur noch in den seltensten Fällen die Wohnung eines Kunden auf. Viele Konsumenten bevorzugen es heutzutage, ihre Angelegenheiten über das Internet zu regeln.
Wenn nun dieser Kontakt zu den bestehenden und zukünftigen Kunden weiter abnimmt, kann dann eine effektive Bewertung des individuellen Risikos erfolgen, das der Versicherer eingeht?
Risiken sind natürlich integraler Bestandteil jeder Versicherung, gleichzeitig müssen diese Risiken so sorgfältig wie möglich beurteilt werden, um mit einem Versicherungsportfolio eine gesunde Rendite erzielen zu können. Mit Informationen aus externen Quellen lässt sich ein umfassenderes Bild gewinnen, anhand dessen sich begründete und aussagekräftige Argumente für die Annahme bzw. Ablehnung einer Versicherung oder für geänderte Versicherungsbedingungen finden lassen. Externe Datenquellen sorgen für eine angemessene Balance bei der Risikoabschätzung und unterstützen so ein gesundes Versicherungsportfolio.
Die Verfügbarkeit externer Datenquellen ist jedoch je nach Land verschieden. Dies gilt ebenso für die entstehenden Kosten und die Nutzbarkeit der Daten. Häufig werden Quellen genutzt, die Unternehmensdaten bieten, wie etwa Handelskammern und Kreditkartenanbieter. Immer häufiger werden aber auch soziale Medien wie etwa Facebook und Twitter einbezogen, insbesondere, um Informationen über den Aufenthaltsort eines Geschädigten zu einem bestimmten Zeitpunkt zu gewinnen oder das Profil eines Antragstellers zu vervollständigen.
3. Probleme mit der internen Datenqualität
Die Datenqualität in Bestandssystemen lässt sich aufgrund unterschiedlicher Unternehmenskulturen, sowie durch Abweichungen bei der Genauigkeit und Konsistenz nur schwer vergleichen. Außerdem kann nicht zuletzt auch der Faktor Mensch sich auf die Datenqualität auswirken – in positiven wie in negativen Sinne. Hier gibt es ein großes Optimierungspotential. Die folgenden kritischen Punkte zeigen sich dabei am häufigsten:
- Mangel an internationaler Einheitlichkeit bei der Speicherung von Informationen
Adressen, Geburtsdaten und Familiennamen sind eine häufige Ursache für Fehler und Missverständnisse in der internationalen Kommunikation.
- Änderungen bei der Art und Weise der Datenorganisation
Häufig werden im Laufe der Zeit Änderungen an der Art und Weise, wie Informationen organisiert und gespeichert werden, vorgenommen. Das Wissen um diese Änderungen ist innerhalb der Organisation oft noch vorhanden, aber in der Regel findet keine ausreichende Dokumentation statt. Für Außenstehende ist der Hintergrund der verfügbaren Daten dann nicht ausreichend klar, was zu Schwierigkeiten bei der Interpretation der Ergebnisse führt.
- Änderungen der Bestandssysteme
Bestandssysteme unterliegen im Laufe der Zeit vielen Änderungen wie Beispielsweise aufgrund von Modernisierungen, Zusammenschlüssen und Übernahmen oder durch die Einführung von Lösungen für neue Geschäftsbereiche. Dabei ist nicht immer ein vollständig, saubere Datenmigration gewährleistet, was zu einer starken Streuung in der Datenqualität führen kann.
Dadurch kann das Erstellen eines vollständigen Bilds zu einem Kunden zu einer mühevollen Aufgabe werde.
4. Zusammenarbeit mit anderen Versicherern
Die Versicherungswirtschaft ist im Besitz von sehr großen Datenmengen. Diese Daten könnten nicht nur beim Betrugsmanagement während des Schadenprozesses hilfreich sein, sondern auch bei der Risikoprüfung im Rahmen des Underwritings als nützliche Präventionsmaßnahmen genutzt werden. Die gesammelten Informationen über die versicherten Personen und Objekte sowie über die Schäden und erkannten Betrugsfälle erleichtern die genaue und objektive Einschätzung von Risiken und Trends sowie des Werts von Versicherungsverträgen und Portfolios. Der Zugang zu weiteren Daten kann für die Versicherer von großem Nutzen sein. Letztlich kann dies zu gesünderen Portfolios führen und den Versicherern eine konkurrenzfähige Beitragsgestaltung ermöglichen, ohne die Gewinnmarge zu schmälern.
Für die Verhinderung von Betrug und die frühzeitige Erkennung und Untersuchung von Betrugsversuchen ist ein umfassender Informationsaustausch zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor von entscheidender Bedeutung.
In zahlreichen Ländern werden öffentliche Einrichtungen jedoch gegenwärtig durch Datenschutzgesetze an der Einrichtung derartiger Systeme gehindert. Versicherer können ihre Kräfte bündeln, zum Beispiel durch den Austausch von Daten oder eine gemeinsame Untersuchung von Betrugsfällen und neuen Betrugsmethoden.
Manche Unternehmen scheuen jedoch davor zurück, Geschäftsinformationen preiszugeben, weil sie fürchten Wettbewerbsnachteile dadurch zu erleiden. Zu den am häufigsten ausgetauschten Informationen zählen gegenwärtig Angaben zu Schadensverläufen und Betrugsfällen. Auf diese Weise versuchen die Versicherer, die Erkennung von Risiken und Betrugsfällen zu optimieren.
5. Schritthalten mit modernen Betrugsmethoden
Betrüger suchen stets nach Schwachstellen. Sie sind meist clever und achten darauf, nicht aus der Masse der redlichen Versicherten herauszustechen. Sie nutzen unterschiedliche Vorgehensweisen wie Beispielsweise verschiedene Versicherer und falsche Identitäten – und die alles, um sicherzustellen, dass sie nicht auffallen und gefasst werden. Jede Möglichkeit, neue, noch nicht betrugssichere Techniken zu überlisten, wird genutzt. Betrüger sind sehr flexibel, und die meisten Unternehmen können nur reagieren. Die Aufdeckung organisierten Betrugs ist je nach Kultur unterschiedlich und häufig ein sensibles Thema. Je mehr Aufwand der Betrüger jedoch hat, desto weniger attraktiv wird der Betrug für ihn.
6. Betrugsbekämpfung hat für die IT keine Priorität
Die Mehrzahl der Versicherer gibt an, Projekte zur Verbesserung der Betrugsbekämpfung zu betreiben. Wenn man die Prioritäten jedoch aus dem Blickwinkel der IT betrachtet, landen vermutlich zahlreiche Projekte weiter oben auf der Prioritätenliste als die Betrugsbekämpfung.
Gängige Themen für IT-Projekte sind die Digitalisierung und die Erneuerung von Kernsystemen der Versicherung. Es liegt also bei den Unternehmen selbst, ihre Probleme zu einer Priorität für die IT zu machen. Außerdem: Warum sollten Versicherer damit warten, eine Lösung für das Problem des Betrugs einzuführen? Beide Arten von Projekten können Hand in Hand gehen, da die meisten Lösungen sich leicht in alle Kernsysteme integrieren lassen und sie einander ergänzen können.
7. Mangelndes Engagement im Unternehmen
Unternehmen mit einem hohen Reifegrad benötigen umfassende Unterstützung, um Betrug wirkungsvoll bekämpfen zu können – von der Managementebene bis hin zum Kundensupport. Durch ein proaktives Monitoring der Bestandskunden und der Risikoprofile können bei ändernden Risiken rechtzeitig Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Das Bewusstsein für Betrugsfälle ist in der Regel in den Schadenabteilungen am stärksten ausgeprägt, dicht gefolgt vom Underwriting. Andere Abteilungen folgen erst mit Abstand.
Für eine wirksame Betrugsbekämpfung muss unbedingt das entsprechende Bewusstsein im gesamten Unternehmen geschärft werden. Ein stärkeres Engagement und verbesserte Fähigkeiten zur Betrugserkennung tragen zu einer Herangehensweise bei, mit der Betrug effektiver verhindert werden kann, statt ihn innerhalb des bestehenden Portfolios bekämpfen zu müssen.
Für die Schaffung eines entsprechenden Bewusstseins sind Schulungen ein wichtiger Faktor. Grundsätzlich verursachen solche Schulungen zunächst einmal Kosten. Diese zahlen sich jedoch letztlich aufgrund des geschärften Bewusstseins der Mitarbeiter aus. Dieses führt zu weniger Risiken im Portfolio, verbesserten Fähigkeiten zur Betrugserkennung, geringeren Kosten und effizienteren Prozessen.
8. Veraltete interne Lösungen zur Betrugserkennung
Zusammengefasst ist der Zugriff auf eine größere Datenbasis für die Versicherer von großem Nutzen. Wenn für die Verarbeitung der Daten eine Software verwendet wird, mit der sich in kurzer Zeit Analysen und Vergleiche erstellen lassen, können Versicherer das Underwriting automatisieren und so bessere Preisentscheidungen treffen. Darüber hinaus unterstützt ein automatischer Screeningprozess eine objektive und einheitliche Risikobewertung. Dies führt zu gesunderen Portfolios und ermöglicht den Versicherern eine konkurrenzfähige Beitragsgestaltung, ohne die Gewinnmarge zu beeinträchtigen. Leider verwenden sehr viele Versicherungsgesellschaften veraltete interne Systeme oder nutzen sogar noch manuelle Verfahren wie Wissensarbeiter oder Geschäftsregeln für die Betrugserkennung in Exceltabellen.
Die Ermittlung und Prüfung möglicher Betrugsfälle ist dann am effizientesten, wenn alle relevanten Informationen in einem einzigen System vereint sind. So wird sofort deutlich, welche Fälle einer näheren Betrachtung bedürfen, während die Mehrzahl der Fälle direkt weiterbearbeitet werden kann. Durch den Einsatz einer objektiven Risikobewertung bei gleichzeitiger Einhaltung der Unternehmensrichtlinien kann die Beschäftigung mit falschpositiven Fällen auf ein Minimum begrenzt werden. Derartige integrierte Verfahren machen außerdem die Arbeit weniger fehlerträchtig.
Kontinuierlicher Prozess
Die dargestellten Herausforderungen stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. In einer Welt, in der die Verbraucher sich tagtäglich an neue Kommunikationsmittel und Technologien anpassen, ist es keine leichte Aufgabe, Schritt zu halten. Die Weiterentwicklung von Regeln und Vorschriften sowie eine fortlaufende Modernisierung sind jedoch allgegenwärtig. Letztlich ist eine effektive Betrugsbekämpfung ein kontinuierlicher Prozess der stetigen Anpassung und Optimierung.